Beim Reisen treten wir oft in Welten ein, die uns anfangs sehr unbekannt sind – eine andere Sprache, anderes Essen, andere Bräuche, andere Rhythmen – das sind die offensichtlichsten Unterschiede. Aber auch andere Unterschiede zeigen sich schnell. Wer kennt es nicht: sich zuerst mal überfordert zu fühlen, dann alles ausprobieren und aufsaugen zu wollen, je exotischer, desto besser, und letztlich doch das Altbekannte zu vermissen und genervt zu sein von dieser, so anderen, Welt.

Viele der Surfspots, zu denen es uns hinzieht, liegen oft an Orten, die uns sehr fremd sind. Gerade bei einem kurzen Trip, ist die Gefahr dann groß, sich zwar mit den Surfbedingungen, der Unterkunft und Anreise zu beschäftigen, aber wenig mit dem Kontext, in dem sich dieser Spot eigentlich befindet. Vielleicht liest man noch kurz den Survival-Teil im Lonely Planet oder ein paar Reisetipps auf einem Blog oder in einem Forum. Ja, und dann passiert es natürlich schnell, dass wir uns in der unbekannten Umgebung unwohl fühlen, das Verhalten der Locals nicht verstehen oder sie uns nerven. Und auch umgekehrt die Leute vor Ort von den Touristen entrüstet sind, die alles auf ihre Art machen/machen wollen, Sonderwünsche einfordern oder sich unpassend verhalten.

Um dies zu vermeiden, haben wir ein paar Tipps für euch! Es wäre schön, wenn ihr euch diese vor jeder (Surf-)Reise zu Herzen nehmt, vor allem wenn euch der Kontext des Reiseziels sehr fremd ist:

    • Erkundige dich über die Geschichte des Ortes (Landes/Region), über die politische Situation, die Religion und die Gebräuche und Traditionen der Menschen vor Ort – je mehr Zeit & Interesse du hast, desto spannender können Details dazu sein!
    • Lies einen Roman, der von einem/r AutorIn des Ortes (Landes/Region) ist und der am besten auch vor Ort spielt
    • Wenn du mit Leuten sprichst, die schon vor Ort waren und dir von ihren Erfahrungen erzählen, bedenke stets, dass man von Einzelfällen nicht auf die Allgemeinheit schließen kann (Vorurteile und Stereotype setzen sich oft unbewusst in unseren Hirnen ab)
    • Lerne (zumindest) ein paar Basics der örtlichen Sprache und traue dich dann auch sie zu verwenden

 

(c) Armin Zechmeister

Und selbst wenn wir uns an all diese Punkte halten und uns gut auf den Kontext vor Ort vorbereiten und Bescheid wissen, wenn wir dann schließlich dort sind, sind wir von den Eindrücken und Aktivitäten oftmals eingenommen, vergessen auf unsere Intentionen, können nicht aus unserer Haut und Missverständnisse machen es für uns schwierig – oder?

Tipps für vor Ort (für viele von euch vielleicht klar, aber hältst du dich wirklich daran, beispielsweise auch, wenn es deine Freunde/Freundinnen nicht tun?):

    • Da wir Besucher sind, sollten wir unsere Gastgeber auch stets mit Respekt behandeln und uns an ihre Gegebenheiten anpassen – das heißt auch mal auf Freiheiten oder Komfort zu verzichten (und z.B. Kopftuch oder lange Bekleidung tragen, auch wenn es die meisten anderen Touristen nicht tun!) oder wir müssen z.B. unsere Geduld auf die Probe stellen (an uns Mitteleuropäer: stundenlanges Anstellen, ohne sich zu beschweren?!).

 

    • Tritt mit den Locals ganz bewusst in Kontakt: zeige Ihnen dein Interesse an ihnen, ihrem Land, ihrer Situation. Empathie ist dabei natürlich der wichtigste Faktor. Fragen stellen, aber nicht aufdringlich sein, Zuhören können, aber nicht zu schweigend auftreten, von sich erzählen, um Vertrauen zu schenken, aber keine Dauermonologe führen – all das klingt banal, ist es aber nicht. Und wenn du gerne Fotos von Menschen machst, dann frage sie doch davor einfach, ob das auch okay für sie ist.

 

    • Wenn du an dem Punkt angelangt bist, an dem du genervt bist, von einer Situation, einem – dir fremden – Verhalten oder ähnlichem: Gib dem Ganzen eine zweite, oder manchmal auch eine dritte oder vierte Chance und finde das Positive an dem “anderen” Verhalten und frage dich, was du daraus lernen kannst und für dich mitnehmen kannst oder auch wo ein Vorteil darin liegen könnte. Akzeptanz & Gelassenheit – macht dir (und den anderen) sicherlich das Leben leichter.

 

    • Und das aller, aller wichtigste: Hinterfrage deinen eigenen Kontext und deine Einstellung! Wieso denke ich eigentlich so? Wenn ich an ihrer Stelle wäre, also vor Ort geboren worden wäre, in ihrer Gesellschaft aufgewachsen wäre, wie würde ich dann denken und mich verhalten? Wie bin ich eigentlich aufgewachsen und was hat das mit mir gemacht?

 

Ethnozentrismus ist ein Phänomen, was bei allen Gesellschaften auftritt – es beschreibt, dass wir stets denken, dass unser Verhalten, unsere Denkweise, unser Wissen, das einzig Richtige/Wahre ist bzw. das Beste. Besonders bei Mitteleuropäern (Eurozentrismus) kommt dies – durch unsere (Kolonial-) Geschichte – besonders vor. Sei dir dem bewusst und ertappe dich selbst dabei, wenn du die Sinnhaftigkeit von etwas hinterfragst oder die Augen rollst bei einer dir unverständlichen Ansicht.

(c) Verena Vogl

Und was hat das alles mit Nachhaltigkeit zu tun?

Selbst wenn uns ethische Aspekte, wie ein friedvolles Zusammenleben zwischen verschiedenen Gesellschaftsgruppen und kulturell unterschiedlich geprägten Personen, egal wären, wollen wir selbst vielleicht noch öfter an den ein oder anderen Surfort reisen, der uns unbekannt ist und an dem Menschen leben, die einen anderen Hintergrund haben, als wir selbst. Surftourismus kann nur dann nachhaltig sein, wenn auch soziale Aspekte und der gesellschaftliche Kontext mitbedacht werden. Und auch unsere nachfolgenden Generationen werden es uns danken, wenn sie in eine Welt geboren werden, die nicht von Konflikten, Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit geprägt ist.

Interessiert dich das Thema interkulturelle Kompetenz? Was für Erfahrungen und Tipps hast du? Wir freuen uns über deinen Kommentar!

Und wenn du gerne mehr dazu erfahren möchtest, dann haben wir für dich noch eine von mir verfasste wissenschaftliche Lektüre zum Vertiefen dieses spannenden Themas (darin erfährst du auch, worauf sich der Begriff interkulturelle Kompetenz bezieht – auch als transkulturelle Kompetenz zu verstehen): “Interkulturelle Kompetenz für eine gleichberechtige Beziehung bei Entwicklungsarbeit (am Beispiel Nicaragua-Österreich)”